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Luftbild vom Coast 2 Coast-Rennen, Photo credit: Leif Bünning, weitere Bilder auf der Facebook-Seite von Kitecoach: http://is.gd/cxL66I |
Was wäre der Kitesport ohne Flügel?
Im September veranstaltete Red Bull „das längste Kitesurf-Rennen der Welt“ und sorgte damit für Aufregung, Begeisterung und am Ende auch etwas Ärger in der Kitesurf-Szene. 700 Menschen aus 15 Nationen hatten sich zum weltweit größten Massenstart im Kitesurfen angemeldet, 348 Teilnehmer aus 13 Nationen fuhren am Ende wirklich mit. Schneller, höher, weiter: jedes Red Bull Event trägt mindestens einen Superlativ. Kitesurfen passt da perfekt in die Marketing-Schiene von Firmengründer Mateschitz, dem adrenalingeladene Individualsportarten am liebsten sind. Doch was lief falsch beim Coast 2 Coast-Rennen und wieviel Red Bull steckt eigentlich schon im Kitesport?
40 Kilometer kitesurfen, von einem Land zum anderen. Diese Idee fasziniert jeden Kitesurfer, egal ob Anfänger oder Profi. Kurz konnte man sich wie ein Pirat fühlen, der die sieben Weltmeere umsegelt. An seine Grenzen gehen und darüber hinaus. Entsprechend begeistert reagierte die Kite-Szene auf die Ankündigung dieses spektakulären Events. Anmelden konnte sich jeder kostenlos, aus rund 700 Anmeldungen wurden dann 400 Teilnehmer gezogen. Fast wie ein Lottogewinn und kaum jemand, der seinen Startplatz nicht wahrnahm. Das Coast 2 Coast-Rennen startete am Niobe-Strand auf Fehmarn. Dann ging es 20 Kilometer über das offene Meer bis zur Wendeboje 200 Meter vor der dänischen Küste - und wieder zurück. Eine Herausforderung, ähnlich dem StrongmanRun für Lauffreunde. Doch aus den geplanten 40 Kilometern wurden schnell 70, denn viele mussten aufkreuzen, um zur Boje zu gelangen, die so gut zu finden war, wie die Nadel im Heuhafen. Eine Streckenführung gab es nicht und wer die Boje nicht umrundete, schied aus und trat den wenig heroischen Rückweg an: Auf der Fähre ging es zurück nach Deutschland. Nur wenige schafften es überhaupt bis ins Ziel, allerdings kein Problem für die meisten, denn dabei sein war schließlich alles. Allen voran kam der Däne Bjoern Rune Jensen wieder in Deutschland an. In nur einer Stunde und sechs Minuten schaffte er die Strecke und ließ selbst den französischen Profi und Speed-Kiter Alex Caizergues hinter sich. Dritter wurde der Däne Steffen Oevind. Das interessante: Alle drei waren auf Hydrofoils unterwegs und – so erzählt man sich – schneller als die Rettungsboote. Mit einem Raceboard ausgerüstet, wurde eine Deutsche schnellste Frau beim Coast 2 Coast. Christine Bönniger freute sich über den Sieg, für sie war das Rennen aber ein reines Spaßevent. Von Muskelkater am nächsten Tag keine Spur. Bönniger ist Vollprofi, für sie gibt es außer dem Studium nichts als Kitesurfen, doch selbst sie hatte Probleme, die Boje zu finden. „Eine Streckenführung gab es nicht, da muss fürs nächste Jahr noch viel nachgebessert werden“, sagt Bönniger im Interview mit dem KITE Magazin, „die Kritik am Veranstalter ist in diesem Punkt durchaus berechtigt.“ Ein faires Rennen könne es nur geben, so die Kielerin, wenn die Wegpunkte klar markiert wären: „Meine Idee fürs nächste Mal: einfach auf beiden Seiten der Boje einen Heißluftballon befestigen oder zwei große Einleiner-Drachen.“ Auch Containerschiffe schipperten wie riesige Eisberge zwischen den Kitern hindurch. Nicht ungefährlich wie Bönniger findet: „Es war echt scary auf dem Hinweg, dass man an drei Riesentankern vorbei musste. Und die Kapitäne sind auf der Brücke wahrscheinlich auch nur knapp dem Herzkasper entkommen.“ Den Start des Rennens müsse man beim nächsten Mal mit dem Schiffstracking der Tanker synchronisieren, findet Bönniger.
Das Coast 2 Coast war hinsichtlich der Organisation nicht ganz das, was sich viele Teilnehmer erwartet hatten. Abzüge gab es vor allem in puncto Sicherheit. Trotzdem zeigten sich die meisten zufrieden, war es doch ein Event bei dem jeder teilnehmen konnte, egal ob Profi oder Anfänger und das ohne Anmeldegebühr. Red Bull immerhin ist zufrieden: die Bilder und Videos vom Coast 2 Coast sind spektakulär und die Medien berichten.
Red Bull - die Marketingmaschine
Spätestens nach „Stratos“, Felix Baumgartners Sprung aus 39 Kilometern Höhe, ist allen klar, dass es Red Bull vor allem um Marketing und den Markenwert des Unternehmens geht. Der Energydrink-Hersteller hat jährlich einen Marketingetat von rund 1,4 Milliarden Euro, über eine halbe Milliarde davon fließen ins Sportsponsoring, 200 Millionen allein in die Formel 1. Bei einem Umsatz von knapp über vier Milliarden pro Jahr gibt Red Bull also rund ein Drittel allein für Marketing aus, beim Technologie-Riesen Apple sind es mit rund 930 Millionen Werbeetat nur ein Prozent des Umsatzes. Für die Sportszene ist Red Bull ein wichtiger Sponsor und vor allem für Randsportarten wie Kitesurfen wichtig. Nur eine handvoll Profi-Kiter können wirklich von ihrem Sport leben. Red Bull als Sponsoren für sich zu gewinnen, nimmt den Kite-Profis einiges an finanziellem Druck. Doch wie viel Druck baut der Getränkehersteller in anderer Hinsicht auf? Einer der Stars von Red Bull war bis vor kurzem der Snowboarder Shaun White, der eine Million Dollar pro Jahr an Sponsorengeldern erhalten haben soll. Er trennte sich von Red Bull wegen „zu großer Einflussnahme“, wie er bekannt gab. Die Marke verspricht, die Athleten nur dabei unterstützen zu wollen, ihre Träume zu verwirklichen. Doch sechs Athleten kamen im Zuge von Marketingaktionen schon ums Leben, wie die ARD recherchiert hat. Der bekannteste von ihnen war Ueli Gegenschatz, ein Schweizer Basejumper. Die ARD wirft dem Konzern eine Mitschuld vor, es sei Druck aufgebaut worden, die Werbeaktionen sollten immer spektakulärer werden. Gingen die Extremsportler weiter, als ihnen lieb war? Inwieweit dieser Vorwurf zutrifft, wissen nur die Athleten selbst. Keine Information darüber dringt nach außen, schwierig also, sich ein umfassendes Bild vom Unternehmen zu bilden.
Die Kite-Athleten bei Red Bull
Insgesamt hat Red Bull 600 Athleten unter Vertrag, in jeder Sportart die Besten der Besten, wie die Auswahl im Kitesurfen zeigt: Neben der Kitelegende Robby Naish ist da Issa Al Amri, Ines Correira, Airton Cozzolino Lopes, Aaron Hadlow, Bruna Kajiya, Lenny Kai, Ruben Lenten, Asia Litwin, Susi Mai, Germany und die neunfache spanische Weltmeisterin Gisela Pulido. Und tatsächlich: Red Bull fördert auch die Träume der Kitestars. Jessy Richman gewann im Februar 2013 den Red Bull King of the Air Contest auf Maui, ebenfalls ein spektakuläres Red Bull-Event bei dem nur die besten Kiter der Welt teilnehmen: zwölf werden eingeladen, weitere zwölf werden aus allen eingehenden Bewerbungsvideos ausgewählt. Der Titel „King of the Air“ war Jesse - oder vielleicht Red Bull – trotzdem nicht genug und so stellte der zweimalige Kite-Weltmeister im August 2013 einen Weltrekord auf: Fast 250 Meter lies er sich zusammen mit seinem Kite mit Hilfe einer speziellen Vorrichtung in die Luft ziehen. Als er sich losmachte, wurde es lebensgefährlich und alles hing davon ab, dass der Profi-Kiter keinen Fehler machte. Zwar hatte er einen Rettungsschirm dabei, der brauchte aber 50 Meter, um seine Bremswirkung entfalten zu können. Das letzte Fünftel des Weges war somit wohl auch das gefährlichste. Richman schaffte es, der Weltrekord steht. Schneller, höher, weiter? Red Bull hat bei den spektakulärsten Contests und Events im Kitesport seine Finger im Spiel und prägt damit die Szene. Ein Ende ist nicht in Sicht, denn die Kiteszene schafft es nicht alleine. Eines der spektakulärsten Events, das aus der Szene selbst erwuchs und von Kitegrößen wie Kristin Boese organisiert wurde ist die KSP-Tour, die Weltmeisterschaft im Wavekiten. In den Komitees der KSP sitzen große Namen wie Sky Solbach oder Mitu Monteiro und Macher der Branche wie Till Eberle oder Raphael Salles. Im Jahr 2013 meldete die KSP enorme finanzielle Probleme und sagte mehrere Tourstops ab, darunter einer der beliebtesten Stops in Portugal. KSP-Tourmanager Terry McKenna machte die Finanzkrise in Europa und das Fehlen von Sponsoren für die Absagen verantwortlich. Die Sponsoren aus der Kitebranche reichen nicht, verrät McKenna. Er sei auf der Suche nach großen Sponsoren, die auch die Namensrechte bekämen. Er hätte die Idee auch einem großen Energydrink-Hersteller vorgeschlagen, so der Tourmanager. Leider ohne Erfolg. Und so versucht es die KSP-Tour jetzt mit Crowdfunding.
Die Kitebranche ist wohl noch zu jung und zu wenig professionalisiert, um selbst Events in dieser Größenordnung stemmen zu können. Es wird dauern, bis jemand den spektakulären Events von Red Bull etwas entgegensetzen kann. Und solange heißt es noch: Red Bull verleiht Flüüüüügel – auch dem Kitesport.